Aufgrund der hohen Nachfrage haben wir uns entschlossen, hier ein Übersicht einiger wichtiger Änderungen in der Umsatzsteuer durch das Konjunkturpaket darzustellen, auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt (11. Juni 2020) noch kein Gesetzesentwurf existierte. Mittlerweile (30. Juni 2020) ist das Gesetz veröffentlicht und tritt damit zum 1. Juli 2020 in Kraft.
Eines stand dem Vernehmen nach bei der Gesetzesentwicklung in jedem Fall fest: Dass die verlautbarten Reduzierungen des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 16 % bzw. 7 % auf 5 % (vgl. a. RgE 12.06.20, Art. 3 Nr. 3) sowie die weiteren Änderungen definitiv zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember 2020 umgesetzt werden. Das beschleunigte Gesetzgebungsverfahren wird nicht gestoppt und voraussichtlich am 30. Juni 2020 veröffentlicht, so dass es zum 1. Juli 2020 in Kraft treten kann.
Gleichzeitig konnte bereits vor Veröffentlichung des ersten Gesetzesentwurfs unter Rückgriff auf Steuersatzänderungen in der Vergangenheit auf einige umsatzsteuerliche (s.u. II.) und technische (s.u. III) Besonderheiten hingewiesen werden, die aufgrund der Grundregeln des Umsatzsteuerrechts auftreten werden (vgl. a. BMF-Schreiben vom 11.08.2006 IV A 5 – S 7210 – 23/06, BStBl I S. 477, auf dem mit vergleichbaren Regelungen der erste Entwurf des BMF (Stand: 15. Juni 2020) sowie der zweite vom 23. Juni 2020 aufbaut. Die finale Fassung mit Datum vom 30. Juni 2020 wurde am 1. Juli 2020 veröffentlicht (zum Pfand: BMF vom 2. Juli 2020)
Folgende Erleichterungen wurden in der finalen BMF-Fassung vom 30. Juni 2020 aufgrund der kurzen Umsetzungsfrist bis zum 1. Juli 2020 beschlossen:
* Sonderfall DATEV: Der Stand zu den notwendigen Progammänderungen der DATEV sind hinterlegt unter https://www.datev.de/web/de/aktuelles/informationsseite-zur-corona-krise/konjunkturpaket-unterstuetzung-durch-datev/ und werden laufend durch die DATEV aktualisiert. *
* Sonderfall DATEV: Der Stand zu den notwendigen Progammänderungen der DATEV sind hinterlegt unter https://www.datev.de/web/de/aktuelles/informationsseite-zur-corona-krise/konjunkturpaket-unterstuetzung-durch-datev/ und werden laufend durch die DATEV aktualisiert. *
Inhaltsübersicht: [Stand 11. Juni 2020]
1. Zeitpunkt der Lieferung
2. Ausführung eines Umsatzsteuer auslösenden Vorgangs
3. Regelmäßige Ausnahmefälle
a. Voraus- oder Abschlagsrechnungen
b. Teilleistungen
c. Leistungen, die über ein Monatsende hinaus in Rechnung gestellt werden
d. Skonti, Boni, Rabatte/Änderung der Bemessungsgrundlage
e. Gutscheine
f. Umtausch
4. Sonderfälle
5. Vertragsanpassungen/Preisangabenverordnung
6. Grenzüberschreitende Fälle
Zu den Überlegungen der Finanzverwaltung, vgl. Entwurf des BMF-Schreibens (Stand: 15. Juni 2020/ 2. Entwurf vom 23. Juni 2020) sowie BMF-FAQ vom 25. Juni 2020). Bitte beachten Sie in jedem Fall ab dem 1. Juli 2020 die Detailregelungen des finalen BMF-Schreibens vom 30. Juni 2020 (zum Pfand: BMF vom 2. Juli 2020).
1. Zeitpunkt der Lieferung
Entscheidend für die Anwendung der neuen Steuersätze ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird.
Es kommt daher nicht darauf an, wann ein Vertrag geschlossen, eine Rechnung geschrieben oder Zahlungen geleistet wurden. Der Eigentumsübergang kann, muss aber nicht der Ausführungszeitpunkt sein, da bei Waren die Verschaffung der Verfügungsmacht maßgeblich ist. Insoweit gelten die üblichen Regeln zur Verschaffugn der Verfügungsmacht.
Bei wiederkehrenden Warenlieferungen ist der Tag jeder einzelnen Lieferung maßgeblich. Verträge und Texte in Banküberweisungen, die bei Dauerleistungen als Rechnungen gelten, sind insoweit an den neuen Steuersatz anzupassen.
Aktuell wird diskutiert, dass es für eine Übergangszeit Vereinfachungs, besondere Korrektur- und Strafbefreiungsregelungen gibt, die durch ein BMF-Schreiben umgesetzt werden (ebenfalls wie die Gesetzesänderung bis spätestens 30. Juni 2020 geplant).
2. Ausführung eines Umsatzsteuer auslösenden Vorgangs
Grundsätzlich werden Warenlieferungen im Zeitpunkt des Transportbeginns der Ware am Abgangsort ausgeführt. Bei Dienstleistungen gilt die erfolgreiche Beendigung der Dienstleistung als Ausführungzeitpunkt, bei Werklieferungen der Zeitpunkt der Abnahme des Werks.
3. Regelmäßige Ausnahmefälle
a. Voraus- oder Abschlagsrechnungen/Anzahlungen
Werden diese vor dem 1. Juli 2020 mit 19 bzw. 7 Prozent gestellt und die Zahlungen vereinnahmt, aber die zugrunde liegenden Leistungen erst nach dem 1. Juli 2020 ausgeführt, ist die Differenz zum neuem Umsatzsteuersatz zum Zeitpunkt der Leistungsausführung (ab dem 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020) vom leistenden Unternehmer an seinen Kunden zu erstatten. Die Umsatzteuererklärungen und -voranmeldungen sind entsprechend zu korrigieren.
Bei Großprojekten mit Anzahlungen im Zeitraum 01.07.-31.12.2020, Beginn des Projekts aber vor 01.07.2020 sowie Ende erst nach dem. 1.1.2021 hat dies zur Folge, dass Anzahlungen können auch gemischte Leistungszeiträume umfassen kann.
Viele Rechnungen, vor allem im Übernachtungsbereich, sind bereits gestellt und bezahlt und müssen entsprechend korrigiert werden (s.o.).
b. Teilleistungen
Im Unterschied zu Anzahlungen usw. (s.o. zu 3. b.) ist es entscheidend, wann die Teilleistung (nicht die Gesamtleistung) jeweils ausgeführt wird.
Nur wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen, für die ein Entgelt gesondert vereinbart wurde, können im Regelfall Teilleistungen darstellen.
Beispiele:
Rechnungen für teilbare Leistungen des Jahres 2020 müssen daher ggf. anteilig gutgeschrieben werden und die Differenz zurückerstattet werden.
c. Leistungen, die über ein Monatsende hinaus in Rechnung gestellt werden
Beispiele: Leasing: Rechnungszeitraum vom 20.6 – 19.7.2020; Leistungen die begrenzt 1 Jahr vom 1.1. bis 31.12.2020 gelten und vor dem 1.7.2020 in Rechnung gestellt werden.
Die Rechnungslegung erfolgt bislang nach Rechnungsmonat, die Steuersätze orientieren sich nach dem Leistungsmonat. Hier kommt es im Juli zu einem Auseinanderfallen von Rechnungsschreibung für Juni-Leistungen und für die Rechnungsschreibung für Juli-Leistungen.
Lösungen zu den o.g. Beispielen: Da die o.g. Leasingteilleitung erst am 19. Juli 2020 vollständig erbracht wurde, gilt der Steuersatz von 16 %. Entsprechend ist die Leistung auf über 1 Jahr erst am 31.12.2020 vollständig erbracht und mit 16 % für das gesamte Jahr einheitlich zu berechnen.
d. Skonti, Boni, Rabatte/Änderung der Bemessungsgrundlage
Es ist für den Änderungsbetrag der Steuersatz maßgeblich, der für den zugrunde liegenden Umsatz gilt.
Beispiel: Eine Lieferung im Juni 2020 wird in der Juni-Voranmeldung mit einer Bemessungsgrundlage von 1000 Euro und USt in Höhe von 19 Prozent erklärt. Im September 2020 mindert sich das Netto-Entgelt wegen Mangels auf 800 Euro: Die Reduzierung ist mit 19 Prozent USt zu berücksichtigen, d.h. mit einem negativen Umsatzsteuerbetrag von 38 Euro in Feld 81 der Voranmeldung zu erklären. Jahresboni sind aufzuteilen, da es darauf ankommt, wann die zugrunde liegende Leistung ausgeführt wurde (s.o.).
e. Gutscheine
f. Umtausch
Beim Umtausch einer Ware wird die ursprüngliche Lieferung rückgängig gemacht. An ihre Stelle tritt eine neue Warenlieferung. Wird ein vor dem 1. Juli 2020 gelieferter Gegenstand nach diesem Stichtag umgetauscht, ist auf die Lieferung des Ersatzgegenstands, der ab dem 1. Juli 2020 geltende Steuersatz von 16 % anzuwenden. Entsprechendes gilt dann für vor dem 1. Januar 2021 erworbene Waren, die nach diesem Datum umgetauscht werden.
4. Sonderfälle
Beispiel: Eine Lieferung aus Mai 2020 wird im Juli 2020 bezahlt. Der Ist-Versteuerer muss diesen Umsatz in der Juli-Voranmeldung mit dem „alten“ Steuersatz von 19 % anmelden. Andersherum: Der Unternehmer hat im Mai 2020 eine Rechnung von 100 Euro zzgl. 19 Prozent USt gestellt und die Zahlung vereinnahmt, die Umsatzsteuer in der Mai-Voranmeldung entrichtet und die Leistung im Juli 2020 ausgeführt. Hier ist nachträglich der „neue“ Steuersatz von 16 Prozent anzuwenden und die Umsatzsteuerdifferenz in der Juli-Voranmeldung zu korrigieren.
5. Vertragsanpassungen/Preisangabenverordnung
6. Grenzüberschreitende Fälle
Bei innergemeinschaftlichen Erwerben von nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Erwerbern ist zu beachten, dass die Steuer für die Lieferung mit Ausstellung der Rechnung bzw. in dem Monat, der dem Erwerb nachfolgt.
Die Zeit bis zum 1.7.2020 reicht in vielen Fällen technisch nicht aus, um Kassen und Rechnungslegung umzuprogrammieren, so dass zahlreiche Korrekturen in den Umsatzsteuervoranmeldungen vorhersehbar sind. Hierzu und zu allen folgenden Punkten werden verwaltungsseitig Erleichterungen geplant, die die notwendigen Korrekturen mit mehr Zeit und weniger Sanktionen ermöglichen sollen. Im Erstentwurf des BMF-Schreibens dazu sind dazu bislang (Stand: 15. Juni 2020) noch keine wesentlichen Erleichterungen enthalten. Im finalen BMF-Schreiben vom 30. Juni 2020 findet man unter Tz. 3.12 eine kurzfristige, auf einen Monat begrenzte B2B-Ausnahmeregelung.
* Sonderfall DATEV: Der Stand zu den notwendigen Progammänderungen der DATEV sind hinterlegt unter https://www.datev.de/web/de/aktuelles/informationsseite-zur-corona-krise/konjunkturpaket-unterstuetzung-durch-datev/ und werden laufend durch die DATEV aktualisiert. *
2. Anwendungsbereich
3. Deklaration
Daher bedarf es einer Klarstellung, ob eine „Steuerrückforderung/-rückvergütung aus bereits versteuerten Anzahlungen aus Steuersatzreduzierung“ auch eine solche (negative) „Nachsteuer auf versteuerte Anzahlungen u.a. aus Steuersatzänderung“ ist. Wenn also der in der Rechnung ermittelte Betrag auch noch für Erklärungszwecke aufgeteilt gebucht (oder womöglich sogar manuell aufgeteilt) werden muss, kommen Programmierungs- bzw. Administrationskosten auf die Unternehmen zu.
Aufgrund des kurzfristigen Vorlaufs sowie der zweimaligen Änderung ist es praktisch nicht möglich, flächendeckende Endabrechnungen vor dem Systemwechsel zu forcieren. Da in diesen Fällen keine Steuerverkürzung droht, sondern lediglich die Information über die Aufteilung der Steuerbeträge weniger detailliert wäre, wird eine Erleicherung durch Abschaffung der Angabe oder zumindest durch eine Nichtverfolgung ihrer Unterlassung überlegt.